Folge 09: Kanzlerkandidat Habeck und der Parteitag der Grünen

Shownotes

VRM-Chefredakteur Dennis Rink und Prof. Dr. Karl-Rudolf analysieren den Parteitag der Grünen in Wiesbaden. Es geht in dieser Folge um die "Robertisierung" der Grünen, gut besuchte Rhein-Main-Kongresshallen und das Gefühl der Erlösung aus Grünen-Sicht, auf den "Ampel-Trümmern" nun etwas Neues aufbauen zu können. Die "Aufbruchsbereiten" wollen im Wahlkampf zeigen, dass sie einen Kompetenzvorsprung haben, meint unser Experte, "sie müssen den Alltag der Wähler:innen aber auch erreichen – sonst sind die Grünen weg."

Außerdem wagen wir einen Blick auf die anderen Kanzlerkandidaten. Politikwissenschaftler Korte spricht vom "Wettbewerb der Unbeliebten“ und erwartet deshalb einen parteien- und weniger personengetriebenen Wahlkampf.

Ein Angebot der VRM.

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00:00:00: Korte und Ring. Politik, die bewegt.

00:00:07: Herzlich willkommen zur aktuellen Ausgabe unseres HM Podcastes Korte und Ring. Heute darf ich Dennis

00:00:17: Ring, VWM-Chefredakteur wieder mit dem renommierten Politikwissenschaftler Professor Dr. Karl Rudolf Korte

00:00:23: über das politische Geschehen in Deutschland sprechen. Und Herr Korte, wir können uns

00:00:27: im Moment nicht beklagen über Mangel des politisches Geschehens, es ist ja momentan eine Menge los.

00:00:32: Sie waren ja am Wochenende auf dem Parteitag der Grünen.

00:00:36: Geschichte Leib kann ich nur sagen, hallo für Chefredakteure auch aufregende Zeiten, weil man

00:00:43: natürlich in so besonderen Situationen sich daran erinnert vor 40 Jahren Koalitionsauflöse,

00:00:47: vor 20 Jahren auch eine vorgezogene Bundestagswahl und jetzt die Glücksmomente der Parteien, die

00:00:55: schon offenbar vorbereitet sind. Das hat man jetzt gesehen bei den Grünen. Segen und Flug des

00:01:00: Kalenders, die hatten jetzt Glück, dass sie im normalen Zeitverlauf jetzt da waren und sich

00:01:06: präsentieren konnten. Das war günstig und sie haben es total für sich in Hessen genutzt,

00:01:12: in Wiesbaden. Ich habe noch nie so voll diese Rhein-Main-Kongresshalde gesehen. Die mussten

00:01:17: zeitweise die Türen schließen vor interessierten Vornachfragen. Das war wirklich gigantisch.

00:01:22: Die Zahl der Mitgliedsanträge oder der Neuzugänge sind mit über 9.000, der auch wesentlich höher

00:01:28: als die alle anderen Parteien aktuell. Wohin begründet sich denn diese Euphorie gerade? Weil

00:01:33: eigentlich auf bundespolitischer Ebene gab es ja gar nicht so viel zu feiern außer dem Ampel aussehen,

00:01:38: nachdem wie man dazu steht. Ja, aber das ist genau der Punkt, dass man erlöst,

00:01:43: wirkt ganz offenbar, auf den Ampeltrümmern etwas Neues aufzubauen, tiefer können. Die Grünen

00:01:49: im Prinzip nicht fallen, auch von den Umfragewerten her. Verhasst im Osten, im Westen durch ihre

00:01:56: moralische Übersteuerung oft unerträglich in der öffentlichen Wahrnehmung und von diesem Punkt

00:02:04: aus neu zu starten, neue Kraft zu tanken. Dafür war der Parteitag da und offenbar trauen viele

00:02:10: Mitglieder ihnen oder neue Mitglieder ihnen das auch zu, dass sie jetzt aus der Regierung befreit,

00:02:16: neu die politische Mitte bespielen können. Und Sie ihnen das auch zu? Ja, diese neue

00:02:23: K-Frage ist ja jetzt nicht mehr die Kannsterfrage, eher die Küchentischfrage, wenn man Habeck ernst

00:02:28: nimmt, dass er dieses Zuhausegefühl nochmal anders ansprechen möchte, sehr viel Fehler zugegeben hat,

00:02:36: die er mit dem Heißungsgesetz gemacht hat und ganz klar auf diese liberale linke, progressive

00:02:42: Mitte zielt, die ansprechbar ist. Das sind die Aufbruchbereiten, haben wir ja auch schon darüber

00:02:47: diskutiert. Ich weiß nicht, ihr Gedächtnis reicht ja oft nicht so weit, dass wir da nochmal dran

00:02:51: erinnern können. Nicht so weit, ne? Ja, sehen Sie und deswegen ist da Potenzial da, vielleicht für 25%

00:03:00: in dieser sogenannten Merkel-Mitte, die kann man bespielen. Das ist unklar, wer die nutzt, natürlich

00:03:06: nicht die konservativ ausgerichtete Union und noch nicht die Sozialdemokratie, die man noch gar nicht

00:03:13: wirklich erkennt, was sie machen wollte. Da greifen die Grünen jetzt an, die sind super welkig und

00:03:20: am welken weiter, aber wenn man nicht zu verlieren hat, kann man am besten sich präsentieren und

00:03:25: diese Robotisierung der Grünen, um ihn herum natürlich im Team, das war schon beeindruckend zu

00:03:30: sehen. Wie schnell lassen sich denn Wähler überzeugen, weil dieser Wahlkampf ja unter dem

00:03:36: Vorzeichen der gebrochenen Ampel steht, aber auch unter dem Vorzeichen, dass das ja ein sehr

00:03:40: kurzer Wahlkampf ist, wo man ja sehen muss, welche Wähler man mit welchen Inhalten, in welchem

00:03:45: Zeitraum so ansprechen kann, dass sie dann am Ende auch ihr Kreuz in einer richtigen Stelle machen.

00:03:50: Ja, es wird so ein Sicherheitswahlkampf, glaube ich auch, Härte, Stärke, Stabilität, solche Fragen

00:03:56: spielen eine große Rolle und in der amerikanischen Analogie Alltag, wie ist der Alltag finanzierbar?

00:04:02: Wie komme ich von A nach B besser, wie funktioniert die Gesundheitsvorsorgepflege, wie kann ich

00:04:08: mietenweite bezahlen? So und darauf brauchen die Grünen auch eine Antwort, dass sie Kompetenzvorsprung

00:04:16: haben bei allen Fragen, die Verbraucherschutz und Klimaschutz anbelangt. Das ist glaube ich für

00:04:23: jeden erkennbar, aber darüber hinaus müssen sie eben Angebote machen und da haben sie ja noch

00:04:29: einen Wahlparteitag vor sich, insofern müssen sie das noch ausformulieren, aber sie müssen den

00:04:34: Alltag erreichen, sonst sind die Grünen weg. Und das ist natürlich ein großer Sprung, weil sie

00:04:40: auch schon angesprochen hatten, dass ihnen ja gerade in der aktuellen politischen Lage vorgeworfen

00:04:44: wird, dass sie mit ihren teilweise ideologischen Halterungen eben gar nichts mit dem Alltag der

00:04:48: Menschen zu tun haben. Ja, Realitätsdemut war auf dem Parteitag sehr gut erkennbar und schon

00:04:56: das Buch stabilieren, diese Komplexität in die Fläche zu tragen, alles hängt natürlich mit

00:05:03: allem zusammen, aber unter den Rahmenbedingungen eine Klimaneutralität hinzubekommen, die notwendig

00:05:13: ist für die Grünen in ihrer Programmatik, daraus ergeben sich eben andere Konsequenzen und sie

00:05:19: haben nochmal darauf verwiesen, dass sie ja auch geschafft haben, die Preise zu reduzieren von dem

00:05:23: Hintergrund der Inflation, sie haben darauf hingewiesen, dass sie es ja auch geschafft haben,

00:05:27: Gasmangellage in den Griff zu bekommen und auch nochmal darauf verwiesen, dass sie ja das

00:05:32: alles irgendwie geerbt haben, dass die politischen Konsequenzen einer verfehlten politischen

00:05:38: Gaspolitik mit Putin eben sie jetzt irgendwie wegräumen muss und deshalb eigentlich auch mehr

00:05:44: Zeit brauchen, um das machen zu können. Das heißt jetzt nach dem Parteiag haben die Grünen ja

00:05:49: endgültig Klarheit über ihren Kanzlerkandidaten mit Robert Habeck. Eigentlich Klarheit hat ja

00:05:55: auch die SPD über ihren Kanzlerkandidaten, da wurde ja schon frühzeitig davon gesprochen,

00:06:00: dass man mit dem aktuellen Kanzler Olaf Scholz wieder ins Rennen gehen möchte. Jetzt werden

00:06:06: aber einzelne Stimmen laut, die das gar nicht so selbstverständlich erachten, hat das Potenzial

00:06:12: für mehr oder ist das aus ihrer Sicht ein Sturm im Wasserglas? Das hat schon Potenzial für mehr,

00:06:17: aber die SPD wäre jetzt gut beraten, ihnen den nächsten Tagen ihn zum Kanzlerkandidaten

00:06:24: offiziell auch zu nominieren, wie auch immer mit einer virtuellen Konferenz, wie auch immer. Man

00:06:30: kann da nicht bis Januar mit warten, weil das andere kann man nicht ersticken, denn die Sympathie-Werte

00:06:35: sprechen nicht für Scholz, er hat ein Kanzler Malus, einer der schlechtesten Werte, die jemals

00:06:40: ein Kanzler in Deutschland hat und ihm fehlt die Zeit jetzt über ein paar Monate an diesem Image,

00:06:46: werben zu arbeiten. Das spricht alles nicht dafür, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass er zur

00:06:54: stärksten Fraktion sich wieder aufschwingt und sofern ist ganz klar, dass die potenziellen

00:07:02: Delegierten auch natürlich die Bundestagsabgeordneten, wahrscheinlich wird es die Hälfte betreffen,

00:07:07: fürchten um ihrem Wiedereinzug und sich mehr Chancen mit einem anderen Kandidaten ausrechnen,

00:07:14: der natürlich dann auch in der Kritik stehen würde, auch nicht nur die positiven Werte für

00:07:20: sich selbst behält, aber eine andere Mobilisierung auf der Straße natürlich bringen könnte,

00:07:25: mit woraus Pistolisten würden natürlich die Wahlkämpfer vor Ort der Sozialdemokratie in

00:07:29: allen regionalen Konsequenzen viel aktiver unterwegs sein als für einen Kanzler auf die

00:07:38: Straße zu gehen. Das ist glaube ich selbstredend. Sie haben jetzt in ihrer Aufzählung einige

00:07:43: Punkte genannt, die man Scholz zu Last legen kann oder die nicht für ein erfolgreiches Abschneiden

00:07:49: von ihm sprechen. Wenn ich das jetzt weiter denke, wäre es dann aus ihrer Sicht schlau, wenn die SPD

00:07:55: den Kanzlerkandidaten nochmal wechselt oder stecken die Karten in irgendeiner Sackgasse? Da wir

00:08:01: aus der Wahlforschung, bei der Einforschung jetzt keine Maßstäbe entwickeln können bei solchen

00:08:07: Sonderwahlen, ist das nicht eindeutig zu beantworten. Unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten kann

00:08:13: eine Eskalation erfolgen und da ist der super DS Kaliras Scholz nach wie vor gefragt, das würde

00:08:22: jetzt dafür sprechen, ihn beizubehalten. Also wie uns vielen die Möglichkeiten wirklich das Vergleichs,

00:08:28: ob eine kurzzeitige Neunominierung, die ja nur funktionieren würde, wenn Scholz von sich aus

00:08:34: darauf verzichten würde, am Ende durch das Kraft hat. Die letzten, die nicht in die Gänge kamen,

00:08:40: war die Union bei der letzten Bundestagswahl, die sehr kurzfristig dann ein Wahlkampf auf

00:08:45: Laschet abstimmen mussten, was dann auch nicht mehr gelungen ist. Gibt es dann aber Dinge,

00:08:50: die jetzt für die SPD in diesem Wahlkampf sprechen? Es spricht für die SPD, wenn sie eine

00:08:58: sozialdemokratische Thematik anschlagen. Einmal das und zum anderen ist die Staatsbedürftigkeit ja

00:09:04: eher gewachsen. Also das, was SPD auch ausmacht, ein interventionistischen Staat, ein Staat, der

00:09:09: sich kümmert, der sich einbringt, der allerdings auch funktionsfähig sein sollte. Das spricht

00:09:15: durchaus für eine sozialdemokratische Handschrift, wer mehr nicht im Markt, Radikalität, was gefeiert

00:09:21: wird, sondern im Gegenteil, wir hoffen, dass der Staat besser funktioniert und die Sozialdemokratie

00:09:27: sich daran kümmert. Und Gerechtigkeitsfragen, Ungleichheitsfragen bei allen Schnittmengen,

00:09:33: also von Mietern bis zur Pflege sind natürlich Themen, mit denen sozialpolitisch die SPD auch in

00:09:41: der Mitte punkten könnte, wenn klar ist, was sie sich vorstellt. Es deutet sich an, dass es so ein

00:09:48: Rentnerwahlkampf auch gibt, was ausgetestet wird, vielleicht auch ein steuertechnischer Wahlkampf,

00:09:54: das ist noch nicht richtig ausbuchstabiert bei der SPD. Was es mit Sicherheit nicht wird, so ein

00:09:59: Friedenswahlkampf, wie ja im Europawahlkampf ja ausprobiert worden ist, mit dem Kanzler, der für

00:10:04: Frieden ist, das hat ja überhaupt nicht funktioniert. Aber sehen Sie eine Perspektive darin für die SPD,

00:10:10: das im Vergleich zu den Grünen, das haben wir ja eben besprochen, dass die Reihen hinter

00:10:14: Erobert Habeck derart geschlossen sind, dass das ja fast schon in der Euphorie Bewegung sich bewegt

00:10:20: und hinter Friedrich Merz, der sich ja Stück für Stück, sage ich mal, die Union erobert hat,

00:10:25: aber da ja mittlerweile auch Glas-Kladi Nummer 1 ist, kann Olaf Scholz auch mit einer breiten

00:10:31: Rückendeckung noch in diesen Wahlkampf gehen? Nein, das sehe ich nicht. Das ist ein vertrauensvolles

00:10:37: Verhältnis, was darauf gebaut ist, aber kein liebevolles. Und das ist schwierig für eine

00:10:42: Mobilisierung für die Partei. Es ist eine Pflicht schuldig, wie hier mobilisiert wird am Ende, denn

00:10:48: alle Daten sprechen ja nicht dafür, dass es auch innerhalb der SPD ein sehr beliebter, populärer

00:10:56: Kanzler ist. Es wird ein für alle Verantwortlichen sehr schwerer Mobilisierungswahlkampf, der ja auch

00:11:03: darauf setzt, dass die anderen Fehler machen, dass man Aufholjagden wiederholt. Das sind ja

00:11:08: alles Mechanismen, die als Narrative sich eignen, aber an die man auch glauben muss, damit sie

00:11:14: wirken können und diese Wirkung noch mal zu untermauern, das wird nicht so einfach sein. Also

00:11:21: Herr Korte, wenn ich jetzt so objektiv oder persönlich gefärbt durch meine journalistische

00:11:25: Sicht auf unser Gespräch gucke, dann ist Ihre Pro-Liste für Olaf Scholz wesentlich kürzer als

00:11:29: die Kontroll-Liste. Ja, aber man kann auch sagen, Scholz oder Merz zusammengefasst klingt wie Schmerz.

00:11:35: Also die Popularitätswerte sind bei allen nicht so gut. Wir haben den Wettbewerb der Unbeliebten.

00:11:41: Die Habeckwerte sind ja auch nicht so gut, sie sind besser geworden und es

00:11:46: jetzt drauf durch sanare Gebote, dass sie besser werden können. Wenn wir jetzt so an

00:11:50: Trob Eitel dazu denken, dann haben wir wirklich nicht einen personengetriebenen

00:11:54: Wahlkampf, sondern einen Parteien getriebenen Wahlkampf, der um Themen ringt und

00:11:59: das wäre eben auch, aus meiner Sicht, der große Vorteil, dass wir uns um die

00:12:03: Themen der politischen Mitte kümmern und so sieht es ja auch aus,

00:12:06: lösungsorientiert und dass wir über die Ränder ganz wenig hören, reden und

00:12:11: erstmals auch dadurch, die diese ganze Angstszenarien erst mal weg sind. Wir sind

00:12:17: einfach neugierig geworden, was für die Mitte jetzt angeboten wird und damit die

00:12:22: ressentiment getriebenen Themen, die ganz links und ganz rechts den Parteien

00:12:27: nutzen, im Moment überhaupt nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit steht.

00:12:32: Weil zum Glück so Chefredakteure wie Sie das auch nicht zum großen Thema machen

00:12:36: und nicht ewig danach suchen, wie die Ränder denn gerade aussehen, ob die

00:12:39: vielleicht größer werden und sofern danke, dass Sie da auch mitmachen.

00:12:43: Muss mich jetzt kurz sammeln Herr Kauder, weil Lob in diesem Podcast meistens nicht so

00:12:47: häufig vorkommt, wie finde ich, spitzen. Deswegen muss ich mich jetzt kurz sortieren,

00:12:51: Sie haben mich aus dem Konzept gebracht. Ja, das kann passieren, könnte ja auch ein

00:12:56: vergiftetes Geschenk sein, denn Sie sollen ja haben Sie ja so eingeleitet, objektiv

00:13:00: berichten, insofern ist das ja ein verbremter Vorwurf, dass Sie zu stark auf

00:13:04: die Ränder geguckt haben bisher. Na klar müssen wir die Demokratie wehrhaft

00:13:08: machen und verteidigen, aber meistens geht es dann nur noch um die Ränder und

00:13:14: dann vergisst man das, was in der Mitte sich tut. In der Mitte tut sich auch

00:13:18: etwas mit einer Partei, die kein Kanzlerkandidaten stellen wird, aber

00:13:22: nach einiger Aussage jemanden, der gerne wieder Finanzminister werden würde,

00:13:25: nämlich Christian Lindner. Und da gab es in den vergangenen Tagen eine

00:13:30: Recherche der Kollegen der Zeit, die offengelegt hat, dass es bei der FDP

00:13:34: schon mit verschiedenen Schlagworten versehen in den vergangenen Monaten

00:13:38: Ausstiegsstrategien und Szenarien gab, um aus der Ampel herauszukommen. Ist das

00:13:43: aus Ihrer Sicht so, wie es jetzt die SPD darstellt, ein Vertrauensbruch auch im

00:13:49: Nachhinein und geht überhaupt nicht? Oder ist das die professionelle

00:13:52: Vorbereitung dessen, dass sich das Ampelausstatt schon früh abgezeichnet hat?

00:13:56: Ab Sommer war ja doch sichtbar, dass es auch in dem zweiten Anlauf einen

00:14:00: Haushalt zu erstellen, Schwierigkeiten gibt. Deswegen gehe ich fest davon aus, dass

00:14:05: die Spitzenpolitik auch Szenarien schon gedacht hat, wie das bis November werden

00:14:11: kann, bei dem eben dann der entscheidende Tag ist für die Haushaltsberatung, um

00:14:16: den Haushalt des nächsten Jahres zu sichern. Also diese Vorhaben zu denken, wie es

00:14:22: sein könnte ohne Partner und ob man den Wahltermin inbekommt oder einen anderen

00:14:27: braucht, das wird es bei den anderen Parteien auch gegeben. Aber hier geht es

00:14:31: herum eine strategische Positionierung auf einen konkreten Tag hin, an dem man

00:14:37: auch die, die bezeichnet hat. Das ist natürlich mehr als nur ein

00:14:41: verschiedenes Szenarien, die man entwickelt hat. So entsteht der Eindruck,

00:14:45: das absichtsvoll beigeführten Bruch, und es steht auch der Eindruck, dass das, was

00:14:51: an dem Abend gesagt worden ist, nämlich das Hochstilisieren, geradezu

00:14:55: patoshaft zum eigentlichen Verfassungsminister, der einzige verbliebenen

00:15:01: Minister, der noch eine Regierung, der noch eine Grundgesetz schützt, so hat

00:15:05: ja Lidnar argumentiert, ihn sich zusammenbricht angesichts der Dramaturgy,

00:15:10: das ist für den Tag, egal unter welchem Vorzeichen auch geplant war. Und da ist

00:15:17: praktisch eine neue Deutungshoheit über den Ausgang, was auch ihn

00:15:25: beschädigen wird. Bisher hat Lidnar ja oder keiner es so erfolgreich gescheitert,

00:15:29: bisher wie Lidnar, aber diesen Wiederaufstieg, das ist schwer geworden

00:15:34: durch das Szenario, was jetzt aufgedeckt worden ist. Zumal man ja unter moralischen

00:15:38: Gesichtspunkten noch anführen muss, dass er ja derjenige war, der an dem Abend

00:15:42: und danach Olaf Scholz vorgeworfen hat, dass dessen Rede vorbereitet gewesen ist.

00:15:45: Jetzt könnte man sagen, eigentlich war Lidnar schon länger vorbereitet. Ja,

00:15:49: intensiver, ganz offenbar. Und wir sehen auch aus den Protokollen, dass die Wissingen-

00:15:54: Entscheidung auch nicht eine spontane war, sondern er länger schon mit dem Kurs

00:15:58: nicht einverstanden war. Das wirkt dann auch aus der Sicht des

00:16:02: Verantwortungsetikers viel schlüssiger, dass er da versucht hat, gegenzuarbeiten.

00:16:06: Aber genau vorbereitet auf den Tag genau, scheint jetzt die FDP-Führung gewesen zu

00:16:14: sein und das verspielt natürlich Vertrauen für den Neuanfang. Darauf setzen sie ja.

00:16:20: Wagen sie eine Prognose, wann das Zurückblicken und das Ringen um die

00:16:25: Deutungsvorheit zum Ampel aus abäppt und wieder in diesem Wahlkampf endlich

00:16:29: anfangen über Themen zu sprechen? Das war jetzt im Wissbaden erkennbar.

00:16:33: Die haben überhaupt nicht lamentiert über die zurückliegenden drei Jahre.

00:16:36: Habeck hat das für sich nochmal seine Fehler eingeräumt. Das hat er

00:16:41: natürlich gemacht, aber es ging ein klarer Blick auf die kommenden drei

00:16:44: Monate und nicht auf die zurückliegenden drei Jahre. Das fand ich beeindruckend und

00:16:49: das ist genau das Sehnsuchsvolle, was zuversichtlich

00:16:53: Mittewählerinnen und Wähler auch erwarten, weil man ja Zukunft wählt.

00:16:58: Problemlösungskompetenz und nicht das Abrechnen, wie es in der Regierung zuletzt

00:17:03: der Fall war. Also ist genau dieser Akzent, wie wir jetzt funktionieren in

00:17:09: Staat, vielleicht auch mit ganz konkreten Projekten schneller hinbekommen im

00:17:13: Bereich Miete, Digitale, Preise, Alltagssorgen, solche Dinge eigentlich das

00:17:20: Interessante und da ist noch nicht alles ausbuchstabiert. Da erwarte ich jetzt

00:17:24: einfach auch viel. Da wird sich auch noch Konkretes entwickeln, denn

00:17:27: denken wir mal den Sieg beim letzten Mal, den kleinen Schwachensieg der

00:17:32: Sozialdemokratie mit 27, 25,7 Prozent. Da war es ja Respekt als Formulierung und

00:17:39: als Konzept unterlegt, genau mit einem Instrument den Mindestlohn mit einer

00:17:43: bestimmten Zahl auch zu erhöhen. Das ist eine idealtypische Konstellation, eine

00:17:47: Geschichte, zu der ein konkretes Projekt auch passt. Und das müssen sich die

00:17:52: Parteien jetzt erarbeiten, möglichst in der großen Unterschiedlichkeit.

00:17:55: Meine alle wollen mit März oder wollen irgendwie März zu Braut, das ist ganz

00:17:59: offensichtlich, aber meine Position ist immer noch zu sagen, gucken wir nicht nur

00:18:04: auf den vielleicht vermeintlichen Sieger der stärksten Fraktion, sondern auf

00:18:08: den der am besten sondieren kann, um vielleicht aus der zweiten Position

00:18:11: heraus mehrheiten zu organisieren. Das ist wahrscheinlich viel attraktiver und

00:18:15: viel und ist auch eine Wahrscheinlichkeit. Ja dann auch aus CDU-Sicht eine

00:18:19: gewisse Tragik, dass der Geschichte, wenn sie stärkste Kraft werden und wieder

00:18:23: nicht mitspielen dürfen. Ja, so habe ich sie bisher noch nicht wahrgenommen, dass

00:18:27: sie tragische Momente emotional hier hoch spielen. Also ich kann diese Empathie

00:18:32: bei ihnen gar nicht sonst raushören, aber ich versuche ja auch sie neu zu

00:18:36: lernen, dass eine neue Variante über die noch mal nachdenken muss. Aber klar kann

00:18:42: das passieren. Das muss man einfach ganz nicht sehen. Das Interessante ist ja

00:18:46: jetzt auch in den nächsten Tagen die Vorbereitung der Vertrauensabstimmung

00:18:51: über das Vertrauen. Mal von Schröder wurde sie damals als

00:18:58: Antrag mit reinformuliert, bei Kohl wurde sie überhaupt nicht reinformuliert,

00:19:01: da wurde nur auf den Artikelbezug genommen, um eben zu verhindern am

00:19:06: Ende, dass man Vertrauen ausgesprochen bekommt. Die AfD ist ja findenreich und

00:19:11: vielleicht muss man hier mit allem rechnen, denn man darf ja auf keinen Fall

00:19:17: das Vertrauen ausgesprochen bekommen. Man darf also keine Kanzler mehr hinbekommen.

00:19:21: Und wie man das macht, wird ja in den nächsten Tagen noch weiter zu beobachten

00:19:25: sein durch Enthaltung, die auch wie Nein gelten oder durch Nichtanwesenheit,

00:19:30: Nichtpräsenz, ich weiß es nicht, damit einiges noch aus Waldova, weil die

00:19:34: Regelverstoßer partei systematisch ist die AfD da ist alles mitzurechnen, den

00:19:39: Parlamentarismus zu schreddern. Das ist ja deren Logik auch und das werden die auch

00:19:44: bei der Vertrauensfrage versuchen. Ich bin gespannt, wie es weitergeht, das wäre ja

00:19:48: nicht das erste Mal, dass vornehmendlich bisher ein Landesparlamenten die AfD

00:19:52: mit ihren finden erfolgreich ist und die demokratischen Parteien oder die

00:19:56: demokratische Grundordnung vor Herausforderungen stellt. Sie haben eben

00:20:01: gesagt, dass es schwer ist jetzt in den nächsten Monaten schon thematisch zu

00:20:05: gucken in diesem Wahlkampf bzw. dass es dringlich wäre jetzt darauf mal den

00:20:08: Fokus zu richten. Worauf liegt denn diese Woche ihr Fokus-Akorde? Wo geht es dann

00:20:12: noch hin? Diese Woche bin auch natürlich in

00:20:16: Dysburg in Leer-Formate eingebunden. Wir haben ja in diesem Semester erstmals

00:20:21: oder auch wieder die Gastprofessur Möglichkeit Anwendung auszutesten.

00:20:26: Da ist in diesem Semester Amilashid da, den ich morgen erst einmal begrüße. Als ich ihn

00:20:33: eingeladen habe, war das einfach interessant, weil er viele Stationen,

00:20:37: politische Stationen durchlaufen hat aus NRW Sicht ohnehin als Ministerpräsident

00:20:42: oder als Integrationsminister. Aber mir war damals nicht klar, nicht bewusst, konnte ich

00:20:46: nicht ahnen, dass wir ihn einladen als letzten Kanzlerkandidaten und jetzt die

00:20:50: Kanzlerkandidatur sich neu stellt, nicht für ihn, aber doch für alle anderen.

00:20:54: Das ist sofern sehr interessant, nochmal herauszuarbeiten, welche Chancen er dem

00:20:59: neuen gibt und woran es vielleicht beim letzten Mal lag. Das ist das eine und dann

00:21:03: habe ich in Berlin noch weitere Termine. Das ist aber Alltag, das gehört einfach

00:21:08: immer dazu. Klingt aber dann mit Amilashid ein bisschen

00:21:11: schalzamer als ihre sonst relativ trockenen Politikvorlesungen-Kakorde?

00:21:14: Ja, das ist ja eine Unterstellung, dass das trockene ist. Das ist auch Versuchweise

00:21:21: so unterlegt, dass die Studierenden damit natürlich etwas anfangen können und

00:21:26: nicht trockene Philosophie, sondern Anwendungsbezogen und das kann man

00:21:32: natürlich anreichern durch Beispiele und diese Beispiele haben ja auch

00:21:37: was Unterhaltsames. Das trockene ist eine Unterstellung, das weiß ich ganz

00:21:41: weit von mir zurück. Ich kann es auch aus dem Alltag nicht belegen,

00:21:44: akkorde, weil ich damals gerne Politik studiert hätte, aber aufgrund meines

00:21:48: schlechten NCs leider nicht reingekommen bin und deswegen bin ich in der

00:21:51: Soziologie und in der Kulturanthropologie gelandet.

00:21:54: Auch schöne Fächer, aber natürlich kann man auch noch im Weiterbildungsmodul

00:21:58: bei uns noch Politik-Soft studieren. Man kann den Master-Politik-Management noch

00:22:03: machen aus der Weiterbildung heraus, vielleicht auch für Chefredakteuren.

00:22:06: In Master habe ich zum Glück damals in Kommunikation gemacht, um zu lernen,

00:22:09: wie ich mit Podcastpartnern wie Ihnen am smartesten und geschicktesten umgehe.

00:22:14: Im Moment, wenn ich die Zeit finde, akkorde, komme ich noch mal auf Sie zu,

00:22:17: aber ich habe ja bei Ihnen persönlich gar nicht mehr so viel Zeit, weil so viel

00:22:20: Vorlesung geben Sie ja gar nicht mehr.

00:22:21: Ja, das stimmt. Das stimmt also. Wir werden uns irgendwie arrangieren.

00:22:26: Und als Privatdruzent werde ich es wahrscheinlich nicht mehr leisten können

00:22:29: bei Ihnen persönlich?

00:22:30: Das stimmt. Aber ja, kommt doch an, vielleicht kann man das verrechnen in

00:22:36: Abos, die ich da nicht bezahlen muss, die Sie einfach mit schenken.

00:22:40: Das kriegen wir hin. Da frage ich hier innerhalb der VM mal nach und werde es

00:22:44: in den nächsten Folgen auflösen, wie es ausgegangen ist, meine Nachfrage,

00:22:48: einstweilen. Aber Herr Prof. Dr. Korte, vielen Dank für den auch heute wieder

00:22:51: sehr erkenntnisreich und unterhaltsam Podcast.

00:22:54: Ich wünsche Ihnen noch eine schöne Woche und sage allen, die uns zugehört haben,

00:22:57: vielen Dank fürs Zuhören. Wir hören uns am nächsten Montag wieder. Bis dann.

00:23:01: Ja, ciao.

00:23:02: Korte und Ring ist ein Podcast der VRM.

00:23:07: Von allgemeiner Zeitung Wiesbadener Kurier, Darmstädter Echo und

00:23:11: Mittelhessen.de. Redaktion Dennis Ring, Produktion Mike Dornhöfer.

00:23:17: Habt Ihr Themenwünsche, Feedback, Anregung oder Kritik, dann schreibt uns

00:23:21: über Social Media oder per Mail an audio@vm.de.

00:23:28: [Musik]

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