Folge 17: Neue Migrationsdebatte – Wie stark bröckelt die Brandmauer?
Shownotes
In der aktuellen Folge von "Korte & Rink" analysieren Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte und VRM-Chefredakteur Dennis Rink, wie nach den Anschlägen von Magdeburg und Aschaffenburg das Migrationsthema in den Mittelpunkt des Wahlkampfs rückt – und welche Folgen das für die politische Landschaft in Deutschland haben könnte.
Prof. Korte betont: "Das Migrationsthema ist nicht zentral für unser aller Alltag und wird politisch überdramatisiert." Gleichzeitig sieht er CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz nach dessen Erschließungsantrag als treibende Kraft hinter einem "Triggerpunkt", der die anderen Parteien unter Druck setzt.
Merz trete dabei ganz im Stile einer "Präsidial-Demokratie" auf, als Transporteur eines "Weltbildes einer traditionellen Bonner Republik". Ist dies der entscheidende Wendepunkt des Wahlkampfs? Und was bedeutet die konservative Wende der Union für die politische Kompromisskultur und den Abstand zur AfD?
Eine spannende Analyse über Polarisierung, europäische Alleingänge und die Frage, welche Themen wirklich im Fokus der kommenden Wahl stehen sollten.
Ein Angebot der VRM.
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00:00:00: Korte und Ring. Politik, die bewegt.
00:00:07: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres V.o.M. Podcasts Korte und Ring.
00:00:16: Mein Name ist immer noch Dennis Ring, Chefredakteur der V.o.M. und ich darf, worauf ich mich jede Woche sehr freue,
00:00:21: auch in dieser Woche wieder mit dem renommierten Politikwissenschaftler Professor Dr. Karl Rudolf Korte
00:00:26: über das aktuelle politische Geschehen in Deutschland sprechen.
00:00:29: Herr Korte, zum einen danke, dass Sie da sind und zum zweiten über politisches Geschehen können wir uns ja nicht beklagen im Moment, zumindest übermangeln.
00:00:36: Nein, denn irgendwie diese Wahlkonstellation, bei der wir viele Bürgerinnen und Bürger ja im Wartesaal sehen,
00:00:45: hat sich gewendet in den letzten Tagen. Ob sich das in den Zahlen nachher ausdrückt, werden wir sehen, spätestens am Freitag.
00:00:52: Wenn so die Politbarometer neuen Daten vorliegen, aber das sind Einschnitte, die die Wahlkampfkonstellation verändert haben.
00:01:03: Mit Einschnitten sprechen Sie ja den schrecklichen Anschlag in Aschaffenburg an.
00:01:07: Ich kann mich daran erinnern, Herr Korte, seit ein paar Monaten näher miteinander zu tun haben, also quasi wöchentlich,
00:01:14: haben wir schon über das Attentat in Solingen gesprochen, den schrecklichen Vorfall auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg
00:01:20: und jetzt über das Attentat in Aschaffenburg.
00:01:22: Meiner Wahrnehmung nach haben wir ja bei den beiden anderen Themen auch immer mal diskutiert, wie sich das auf den Wahlkampf auswirkt.
00:01:28: Aber gerade jetzt nach Aschaffenburg spüre ich zumindest, vielleicht auch mit Blick auf den näherrückenden Wahltermin,
00:01:33: die größte Ausdehnung des Themas im Wahlkampf, oder?
00:01:37: Ja, weil es den Wahlkampf fundamental verändert.
00:01:42: Wir haben zwar von Anfang an keine Aufbruchstimmung bei diesem Wahlkampf.
00:01:46: Alle sehen, dass diese Ampel nicht mehr antritt.
00:01:50: Insofern ist klar, dass es einen Regierungswechsel geben wird, aber keine Aufbruchstimmung.
00:01:55: Und wenn überhaupt Themen sichtbar waren, auch vielleicht in der Nähe von einem Aufbruch, dann hingen das immer mit Wirtschaftsfragen zusammen.
00:02:03: Wie wird meine Miete in Zukunft aussehen?
00:02:07: Also Einkaufen, Mieten, Tanken, diese Grunddinge des Lebens, die eine große Rolle spielen
00:02:13: und für die wir die Regierung bisher verantwortlich gemacht haben, dass das vielleicht zu teuer ist, zu unübersichtlich ist und da uns Antworten erwartet haben.
00:02:23: Und die Programme, die die Parteien vorgelegt haben, gehen auch in die Richtung, ohne dass das vorkommen in irgendeiner Weise befriedigt,
00:02:29: dass sichtbar wird, einen Aufbruch, einen Aufschwung neu zu organisieren.
00:02:33: Sonst wäre die Stimmung grundsätzlich anders.
00:02:36: Und dieser Wirtschaftsimpuls, der auch ein bisschen Vergleiche schafft zur amerikanischen Konstellation, bei dem es auch um Wirtschaftsfragen gibt, der ist jetzt abrupt gestoppt.
00:02:48: Es geht viel stärker noch um das Thema von Migration.
00:02:52: Und das ist, wie die Kollegen um Mau herum ja herausgearbeitet, so ein Triggerpunkt.
00:02:57: Wir haben keine in sich polarisierte Gesellschaft in Deutschland, sondern nur bei bestimmten Begrifflichkeiten, bestimmten Szenarien gibt es vor allen
00:03:06: Dingen an den Rändern große Polarisierung.
00:03:08: Und dieser Triggerpunkt Migration ist jetzt praktisch voll aufgebrochen und er wird überführt in eine sehr strukturierte parlamentarische Formation über einen Entschließungsantrag,
00:03:21: der in diesen Tagen ja im Bundestag eingebracht wird.
00:03:24: Und das verändert die Konstellation, offensive, defensive und vor allen Dingen auch es mobilisiert.
00:03:30: Und jede Mobilisierung im Wahlkampf führt eben auch zu einer Gegenmobilisierung.
00:03:35: Insofern können wir gespannt sein, wer davon am Ende der Woche profitiert.
00:03:40: Sie haben eben schon die aktive und die passive Position angesprochen bzw. offensive und defensive.
00:03:46: Ich will jetzt vor dem Hintergrund dieses wirklich schrecklichen Vorfalls nicht von Gunst der Stunde nennen, weil dafür ist das Thema zu ernst und der Anlass zu traurig.
00:03:52: Aber man merkt ja schon, dass bei Friedrich Merz er jetzt noch mehr das Heft des Handelns in die Hand genommen hat.
00:03:57: Er sich ja im Prinzip schon, wenn er jetzt die Initiative ergreift, so als kommender Koalitionsführer oder Kanzler ja auch in Stellung bringt.
00:04:05: Wie nehmen Sie das aktuell von ihm wahr?
00:04:08: Ja, die Empirie widerspricht ja dieser Annahme.
00:04:12: Über 30 Prozent Rückgang Asylanträge im letzten Jahr.
00:04:16: Es gibt keine Form von Überlastung in den Kommunen, auch wenn man die tragischen Dinge, die Sie mit den Städtennamen ja genannt haben, aneinander reiht.
00:04:26: Da sind das von den Tausenden, die hier sind aus Afghanistan, aus Syrien, Vereinzelte, die das gemacht haben.
00:04:35: Also es gibt eigentlich keinen Anlass von der Empirie her, das Thema so zu dramatisieren, wie das im Moment eine Rolle spielt.
00:04:44: Ich will das nicht inhaltlich die Vorschläge beurteilen.
00:04:47: Ich bin überhaupt kein Migrationsexperte, nur von der Dimension her.
00:04:51: Ist das jetzt etwas, was in dieser Woche eine große Rolle spielt, was aber auch wenn man die Vorschläge sich ansieht, durchaus Dinge sind, die schon längst auch diskutiert werden oder die auch schon teilweise was Grenzkontrollen anbelangt, was die Thematik anbelangt, in Drittstaaten solche Aufnahmezentren zu konstruieren, schon vereinbart ist.
00:05:17: Also ich will nur sagen, das ist der Hintergrund der Empirie, die diesen großen Vorhaben jetzt Offensive zu erreichen, nicht ganz entspricht.
00:05:28: Und auch was Sie aber anspielen, ist ja der neue März oder es ist der alte März.
00:05:33: Das ist das Interessante, dass er vorgibt jetzt in dieser neo-dirigistischen Entscheidheitsbrosa, die wir von ihm bisher kannten, die so präsidial überformt war, jetzt wieder auftritt.
00:05:46: Und so ein Moment getriebener offenbar ist, der jetzt in die aktive Position gehen will und das Präsidiale, was er in den letzten Monaten hatte, auch nicht so stark emotional getrieben wirkte, jetzt wieder aufbricht, ganz offensichtlich.
00:06:03: Ist das jetzt der eigentliche März? War der März immer so? Das ist die Wahrnehmung, die Wederinnen und Wälder vor allem von Mitteparteien haben.
00:06:11: Aber er treibt die anderen ja jetzt schon ein Stück weit vor sich her mit seiner Entschlossenheit und er drückt ja auch mit dem aktuellen Beschluss, den er einreichen möchte, auch auf die Tube und so relativ entscheidende Aussagen, wie also ich mache das mit oder ohne euch, was jetzt, sage ich mal, parlamentarisch dahintersteckt und ob das mehr als fähig ist, sei einmal dahingestellt.
00:06:30: Aber er versucht ja schon öffentlich auch Druck aufzubauen.
00:06:33: Ja, wir haben ja mehrfach hier gesprochen, das Wahlkampf etwas verändert und deswegen bin ich jetzt mal gespannt, ob die Datenlage das am Ende hergibt.
00:06:42: Wir haben die Delle bei den Grünen gesehen, die durch die Vorwürfe in der Berliner Grünen-Scenerie, diese sexistischen Vorwürfe, eine Rolle gespielt haben, auch bei der Unklarheit, wie man nun Kapitalerträge doch für Sozialbeiträge nutzbar macht.
00:07:01: Nicht von der Sache her, aber es war unklar, wen es eigentlich betrifft.
00:07:04: Da gab es die Delle, also da hat der Wahlkampf etwas verändert und jetzt ist die Frage, was er verändert bei der AfD vor allen Dingen auch was er verändert bei der CDU.
00:07:13: Und hier ist es interessant zu sehen, dass Merz ja ganz im Stil eine Präsidialdemokratie auftritt.
00:07:21: Man hat den Eindruck, kauft ihm Filzstifte, dass er sich dann rumwerfen kann ins Publikum, dass er seine Dekrete unterschreibt.
00:07:28: So wirkt es ja am ersten Tag Richtigenkompetenz.
00:07:32: Also es gibt eine Kanzlerdemokratie, keine Präsidialdemokratie.
00:07:36: Es gibt einen Kanzlerprinzip, was sich mit Ressort und Kabinettsprinzip alle drei in einer Balance befindet.
00:07:43: Und wenn der Kanzler an irgendeinen Punkt kommt, in der Koalition die Richtigenkompetenz zu nutzen, dann ist es immer ein Zeichen von Schwäche und Ende der Regierung.
00:07:53: Das hat Merkel über 16 Jahre versucht, fundamental zu verhindern und es nie zu gebrauchen.
00:07:59: Scholz hat es ja schon einmal auch schriftlich gebraucht beim Atomausstieg.
00:08:03: Das zeigt ja auch, wie labil die Koalitionskonstellation war.
00:08:07: Er will am ersten Tag, März ist also einsetzen, das ist kurios und ist auch im anderen Zusammenhang kurios, weil natürlich Mehrheitsregel und Kompromiss zusammengehören.
00:08:17: Das ist Teil unserer liberalen Demokratie, auch der parlamentarischen Prozesse, die von Mehrheitsregeln ja und von Kompromisskultur geprägt sind.
00:08:27: Und die Verständigungslogiken, daran ja auch ausgerichtet.
00:08:29: Man kann praktisch sagen, Gesetzgebung ist in unserer Verhandlungsdemokratie immer auch institutionalisierte Kompromissbildung.
00:08:37: Das ist das Entscheidende und in der Verhandlungskonstellation muss man kompromissfähig sein.
00:08:42: Das betrifft jetzt nicht den Entschließungsantrag, aber es betrifft die Vorstellung, wie er wen als Koalitionspartner finden will.
00:08:51: Denn er macht das zur Diktion, dass nur wer das mitmacht, auch Koalitionspartner werden kann.
00:08:58: Aber es ist wie praktisch, wir wissen von anderen Dingen von Datingplattformen beispielsweise,
00:09:05: wahrscheinlich weiß ich nicht, ob sie da unterwegs sind bei Datingplattformen,
00:09:08: aber es ist nicht mehr hergekommen. Früher waren sie da unterwegs, da ist man ja am Ende ziemlich alleine, wenn man keine Kompromisse schließt.
00:09:16: Und irgendwie ist das hier auch, ohne Kompromisse bleibt man alleine.
00:09:21: Mir wird gerade klar, Herr Koate, wie alt ich eigentlich schon bin, weil ich überlegt habe, zu dem Zeitpunkt,
00:09:25: als ich noch Single war, auch in dieser Folge wieder liebe Grüße an meine Frau, die ihr immer fleißig mithört,
00:09:29: gab es noch gar keine Datingplattformen. Jetzt fühle ich mich wirklich alter, Koate.
00:09:33: Also ich kann Ihnen sagen, auch wenn man alter wird, den Verstand verliert man ja nicht so schnell.
00:09:38: Also kein Nachteil, dass Alter werden, aber in der Tat, man muss die Jugendliche Frischheit sich weiterarbeiten.
00:09:45: Das ist ja bei Ihnen auch möglich durch die Kinder. Mir war das auch durch Kinder und Enkel und durch die Studierenden natürlich immer möglich,
00:09:52: sodass man da anschussfähig bleibt. Aber für die Kompromisskultur passt es eigentlich ganz gut, das Beispiel.
00:09:59: Und man sieht eben die Besonderheit, wie jetzt auch die Koalitionsbildung damit sich verändern können.
00:10:04: Ja, bzw. wenn er bei dieser Diktion bleibt und ich mir jetzt aus den ersten Tagen oder auch am Wochenende anhöre,
00:10:10: was aus SPD oder Grünen rein dagegen kommt, weiß ich jetzt nicht, ob die dann bei diesem Punkt zueinander finden.
00:10:17: Wir haben ja noch eine weitere Dimension, die ist jetzt praktisch, wer stimmt im Hinblick auf die AfD mit bei Entstehungsanträgen,
00:10:27: dass die AfD sich irgendwo anhängt. Das kann immer passieren, das kann man ja nicht verhindern, aber eine Oppositionspartei.
00:10:34: Aber ist sie ausstattgebend, um Mehrheiten herbeizuführen. Das war bisher immer die Richtschnur, das zu verhindern,
00:10:41: dass eine Mehrheit nur mit Zustimmung der AfD nicht aus den Mitteparteien möglich ist, auch nicht möglich sein sollte.
00:10:49: Das war Teil dieser Brandmauer-Diskussion. Und das ist ja auch nicht möglich, denn eine Mehrheit dazu kommt ja nicht zustande,
00:10:56: sondern nur, wenn wir jetzt mal das rechterisch angucken, BSW, AfD, FDP, CDU zusammen stimmen, haben sie eine Mehrheit.
00:11:04: Insofern ist das anders. Und diese Offensive, die mit dem Entstehungsantrag angegangen wird,
00:11:11: zielt ja auch darauf, dass jetzt SPD, Grünen sich vielleicht auch bewegen.
00:11:16: Und es war sehr interessant zu sehen, wie der Ministerpräsident von NRW wüsst,
00:11:21: gestern Abend ja in einem Interview nochmal durchaus Möglichkeiten aufzeigte, wie mit dem Papier, was mir jetzt vorgelegt hat,
00:11:29: vielleicht doch Kompromisse auch in Richtung grün-, rot-, arbeitbar sind.
00:11:36: Also aus der Offensive heraus, diese strategische Offensive zu nutzen, um noch Veränderungen anzugehen.
00:11:42: Das war eine Aufweichung dieser Anti-Kompromiss-Kultur, die aber nicht unbedacht erfolgte.
00:11:50: Ja, weil, wie Sie schon beschrieben haben, kann März das ja im Prinzip im Hinblick auf die Brandmauer und die AfD gar nicht durchhalten.
00:11:57: Daher ja in den letzten Tagen die Warnung von Habeck und Scholz mit Blick auf die Brandmauer.
00:12:01: Und März, der gesagt hat, nee, nee, die bleibt noch aufrecht.
00:12:04: Aber das Einzige, was man handwerklicher tun kann, ist im Vorfeld sich abzustimmen, wer dann mitgeht
00:12:09: und wer nicht, um sich nicht in der laufenden Abstimmung von der AfD treiben zu lassen.
00:12:13: Das stimmt. Und? Klever ist jetzt gemacht worden.
00:12:17: Das ist praktisch eine Anti-Affd-Passage in den Entschließungsantrag hinein formuliert worden.
00:12:22: Das ist eine clevere Ansage.
00:12:26: Eine AfD kann unter keinen Umständen diesem Entschließungsantrag zustimmen,
00:12:30: weil der Antrag richtet sich auch gegen die AfD, gegen die menschenfeindliche Politik der AfD,
00:12:36: die auch immer nur Gestaltungsillusionen zum Thema hat und nie Gestaltungskraft.
00:12:42: Und das ist dort zum Thema gemacht worden.
00:12:46: Vielleicht noch eine Dimension, die interessant ist.
00:12:50: europäische Dimension, die auch neu ist in der Märzchenbahn.
00:12:54: Und März ist ja durch und durch Europa Politiker, weil er auch Europaabgeordnete Jahre war,
00:13:01: bei seinem Staat in die Politik.
00:13:03: Und man ihm auch durchaus zutraut, dass er die Verbindungslinien zu den europäischen
00:13:08: Nachbarn auch persönlich anders auffüllt, als es Scholz im Moment macht.
00:13:14: Das kommt doch, Scholz kommt häufig isoliert daher und das traut man jetzt März anders zu.
00:13:20: Aber diese Vorschläge zielen natürlich darauf, etwas Germany First durchzusetzen, ohne mit anderen abzustimmen.
00:13:27: Und wir wissen nichts, ist so europäisch umstellt wie dieses Migrationsrecht.
00:13:32: Natürlich kann man darauf pochen, an Grenzen jemanden zurückzuweisen, wenn das machbar ist.
00:13:37: Aber es hat natürlich Konsequenzen, die man abstimmen muss mit den Nachbarn.
00:13:41: Und das ist auch irritieren in diesen Tagen.
00:13:45: Aber es ist im Blick auf das Wahlkampfformat der Staat einer Offensive der Union, die wir bislang nicht gesehen haben.
00:13:54: Ob wir jetzt das Thema geeignet finden, ob wir den Antrag gut finden, beobachte oder bewerte das ja hier nur als Wahlforscher.
00:14:02: Das ist insofern ein Wendepunkt im Wahlkampf.
00:14:05: Ich habe letzte Woche beim Jahresempfang der Wirtschaft in der Rengoltale hier in Mainz,
00:14:09: März als Kinotspeaker gesprochen, das war allerdings, muss man immer dazusagen, schon seit einem Jahr vereinbart.
00:14:15: Letztes Jahr war es ja Habeck, also das heißt, letztes Jahr konnte man zumindest mit normalen Mitteln nicht wissen,
00:14:21: dass März dann hier kurz von der Bundestagswahl steht.
00:14:24: Und da hat er auch dieses Thema Europa und seine europäische Identität sehr hervorgetan und hat versprochen,
00:14:30: dass Europa unter ihm und in dieser Rede trifft er auch immer in seine bevorstehende Kanzlerschaft seiner Meinung nach ab.
00:14:37: Aber sie hat auch da schon manchmal gesprochen wie ein Kanzler, dass Europa sichtbarer werden würde als unter Olaf Scholz.
00:14:43: Das hat er platziert.
00:14:44: Ja, aber es passt natürlich zu dieser Europapartei CDU ganz intensiv, weil das hat in den Adenhauszeiten war es natürlich,
00:14:53: das Integrations-Behikel, was genutzt wurde, um Souveränität zu erreichen.
00:14:58: Und Kohl war ein Großmeister, darin europäische Kompromisse zu kreieren und vor allen Dingen immer den Einlöb zu erwecken,
00:15:07: dass er auf der Seite der Kleinen ist.
00:15:09: Das war ein sehr markanter Punkt.
00:15:11: Und Merkel hat das fortgesetzt.
00:15:14: Sie hat auch sehr viel Unterstützung in ihre und zu ihrer Europapolitik bekommen.
00:15:20: Aber es gab natürlich auch Auseinandersetzungen bei der Eurokrise, dass man so ein Nord-Süd-Gefälle kennengelernt hat,
00:15:29: was problematisch verurteilt. Bei der Migrationspolitik haben wir natürlich auch ein Ost-West-Europa-Spaltungserlebnis erlebt, auch durch Politik von Merkel.
00:15:39: Also sie hat sich sicherlich sehr bemüht, das europapolitische zu übersetzen, aber zwei markante Themen haben mit dazu geführt, dass Europa sich aber auch weniger solidarisch gezeigt hat.
00:15:53: Bei diesem von mir erwähnten Jahresempfang der Wirtschaft hat übrigens März danach noch im Interview mit der Moderatoren,
00:15:58: die hat ihnen angesprochen, auf einen Podcast bei den Kollegen der Zeit, wo es um die paritätische Verteilung von Kabinetten ging.
00:16:04: Da war ich sogar am Anfang bei ihm, dass er gesagt hat, wir sollten in erster Linie gucken, dass die Posten inhaltlich mit den Besten besetzt sind und natürlich auch dieses paritätische Prinzip im Auge behalten, aber ihm ging es um Inhalte.
00:16:16: Und dann ist das zu Tage getreten, was bei vielen Hängen geblieben ist, Herr Korte, und was für mich in Anführungszeichen ein typischer März ist,
00:16:23: wovon er ja in seiner Karriere nie gefeit war, dann ist ihm wieder so ein Satz rausgerutscht, der dann eben Hängen bleibt und wenig Staatsmann ist.
00:16:29: Er hat nämlich mit Blick auf die Geschlechterverteilung gesagt, 50 Prozent der Gesellschaft sind nur mal Frauen und Zitat, die brauchen wir eben, beziehungsweise ohne, die kommen wir nicht aus.
00:16:39: Das sorgte natürlich für großes Raunen im Saal und blieb dann auch Hängen und das ist ja das, was auch innerhalb der CDU manchmal befürchtet wird, dass die dann solche Sätze manchmal ausrutschen.
00:16:48: Ja, er ist da getrieben von was auch immer, weiß man nicht so oft genau.
00:16:54: Bisher hat er das in den letzten Wochen doch stark kontrollieren können, aber es kann eben passieren.
00:17:01: Gut, es ist das Gegenteil von diesem aggressiven Schweigen des jetzigen Kanzlers, dem sowas nicht passiert und bei dem wird das Schweigen dann mit Besonnenheit in Verbindung gebracht bei März mit erruptiver Spontanität,
00:17:17: die eben auch nach hinten losgehen kann, aber es transportiert oft eben ein Weltbild einer traditionellen Bonner Republik.
00:17:27: So hat man oft den Eindruck bei den Dingen, die er dann zum Thema macht, aber sie zeigen auch, dass es diese konservative Wende in der Union gegeben hat,
00:17:38: weil er ist nicht ohne Grund im dritten Anlauf der Vorsitzende dieser Union geworden und es zeigt gleichermaßen bei dem Thema auch, dass die Merkel-Union stärker mittelings verortet war, auf die zielt ja nach wie vor Habeck mit seinen Grünen.
00:17:56: Ich habe noch zwei Fragen zum März, die mir eben durch den Kopf gegangen sind. Zum einen, was glauben Sie denn?
00:18:01: Wir haben die letzten Wochen ja immer mal schon darüber geredet, dass er sich mit verschiedenen Äußerungen relativ weit rechts positioniert, um eventuell den einen oder anderen jetzt nicht klassischen AfD-Wähler, sondern vielleicht konservative Wähler, der sich im Moment eher von der AfD angesprochen fühlt, wieder zur Union zurückzuholen.
00:18:17: Das ist ja jetzt mit den Aussagen zur Asyl- und Migrationspolitik im Prinzip wieder der Fall. Glauben Sie, dass das verfangen könnte und dass er dort den einen oder anderen anspricht, der vielleicht gerade irgendwo zwischen Schwarz und Blau hin und her überlegt?
00:18:31: Ja, dass die Logik, die man aus der Wahlforschung sich näher angucken muss. Bisher sind unsere Analyse ganz eindeutig, dass Leute, die versuchen, die AfD thematisch zu imitieren, abgestraft werden.
00:18:46: Das heißt, die Mehrzahl von Wählern und Wählern greift dann eher zum Original und nicht zu der Imitation. Aber ob das noch stimmt, immer stimmt, weiß ich nicht.
00:18:56: Es ist schwer zu sagen, es gibt auch Berechnungen von Studien, die so mit Potenzialen umgehen, die auch sagen, dass hier einmal das Potenzial der AfD schon ausgeschöpft ist.
00:19:10: Und andererseits, dass die Union durchaus in der Lage wäre, bis zu 8 Prozent aus dem AfD-Lager rüber zu ziehen. Solche Studien gibt es auch.
00:19:20: Wir wissen eben langfristig gibt es nicht diesen einen Weg, die AfD zu verkleinern weltweit, des Rechtsradikale, das Autoritäre, das über das Nationalkonservative hinausgehende.
00:19:34: Es gibt also nicht diesen Masterplan. Aber man kann auch nicht sagen, dass es nur diesen einen Weg gibt in der Erwarnung, dass das, wenn man die Themen der AfD selbst aufgreift, damit nur verlieren würde.
00:19:47: Auch das lässt sich in dieser Eindeutigkeit so nicht sein. Sofern bin ich sehr gespannt, dass die Union jetzt in die Offensive gegangen ist, ist klar.
00:19:55: Aber wie das jetzt in dieser Woche bei den Umfragen sich auswirkt, ob die AfD eher stagniert oder verliert und die CDU/CSU damit gewinnt, darauf bin ich selbst gespannt.
00:20:08: Aus der Wahlforschung heraus können wir das nicht sagen, unseren alten Abnahmen wäre, dass die AfD damit eher profitiert und nicht die Union.
00:20:16: Aber lassen wir uns überraschen.
00:20:18: Im zweiten Gedanken, den ich dazu hatte, war, als Sie vorhin über März gesprochen haben und dass ja viele Dinge, die er jetzt öffentlich einfordert, entweder im Hintergrund schon angedacht sind oder umgesetzt sind oder vielleicht auch gar nicht so leicht umsetzbar sind, auch mit Blick auf europäisches Recht,
00:20:35: kommt das denn aus Ihrer Sicht oder kann das bei WLAN ankommen in diesem Spannungsfeld, das wir ja auch wie in Ihrem schönen Buch WLAN Märkte beschrieben, um das auch in dieser heutigen Folge nochmal zu platzen.
00:20:44: Ja, sehr gut.
00:20:45: Sehr lesenswert.
00:20:47: Die Problemlösungskompetenz, die die Wähler ja so schätzen, hängt ja auch damit zusammen, wie entschieden sich eine Person in der Öffentlichkeit präsentiert und wie er angibt, Probleme anzugehen.
00:20:59: Das ist ja das eine. Das andere ist, dass März jetzt ein paar Punkte setzt, wo andere sagen, dass es gar nicht so leicht umsetzbar ist, wie du dir das vorstellst.
00:21:08: Aber es kommt natürlich als starke Botschaft an, ähnlich wie bei den Dekreten von Donald Trump, die jetzt zum Teil ja schon von Richtern wieder eingefangen worden sind, weil sie eben auch gegen geltendes Recht verstoßen.
00:21:18: Das heißt, dieses Spannungsfeld zwischen einer starken Persönlichkeit, die Lösungen anbietet für Wähler, die Problemlösungskompetenzen schätzen.
00:21:27: Aber auf der anderen Seite ist auch leicht so in die Richtung des Populismus gehen kann, wenn man Dinge in den Raum stellt, die eben gar nicht so leicht umsetzbar sind.
00:21:35: Wie reagiert denn der Wähler darauf?
00:21:37: Ja, wir setzen nicht auf karismatischen Überschwangen.
00:21:41: Wir wählen keine Populisten.
00:21:44: Wir wählen das, was Sie gesagt haben, Problemlösungskompetenz.
00:21:49: Und das kann ja hier auch überdreht daherkommen, wenn einer eben so tut, als ob er mit dem Filzstift jetzt etwas am ersten Tag entscheiden kann.
00:21:57: Und wir faktisch aber wissen, in einer ganzer Demokratie läuft es so nicht.
00:22:01: Und kann ich einfach irgendwie durchregieren und schon gar nicht am ersten Tag mit einer richtigen Kompetenz versuchen anzufangen.
00:22:07: Dann ist das etwas, was nicht einzahlt auf diese Problemlösungskompetenz.
00:22:14: Wir sind da eher bei den Typen, die eher verlässliche Langeweile ausströmen.
00:22:20: Das ist wichtiger als jetzt dieser karismatische Überschwangen.
00:22:26: Wir sind da verdachtstgetrieben.
00:22:29: Wir trauen diesen großen Ankündigung nicht.
00:22:32: Wir sind noch nicht diesem Scham der Populisten erlegen.
00:22:37: Und deswegen sind die Typen bei uns, die in der Spitzenpolitik sind, in der Regel auch komplett andere.
00:22:41: Und das war eine eine Rollengrenzsituation, die er jetzt in Analogie zu einer Präsidialdemokratie aufgezogen hat, die nicht verfängt.
00:22:50: Es kann verfangen. Die Offensive darauf warte ich jetzt.
00:22:53: Themenoffensive, aber als Typus verfängt es nicht.
00:22:57: Dann sind wir mal gespannt auf die kommende Woche mit Blick auf die Entscheidung im Bundestag, mit Blick auf die Umfragen, ob sich etwas tut, Herr Korte.
00:23:05: Ich habe noch zwei Dinge nachzutragen, beziehungsweise eine Sache nachzutragen, was im vorangegangenen Podcast, als wir kurz darüber diskutiert haben, ob ich eine Promotion anstrebe und sie mein Doktorvater werden könnten.
00:23:16: Ah, ja. Dann gott sie Arbeit und Dinge ja auf. Sie erinnern sich an alles. Das scheint doch irgendwie nachzuwirken.
00:23:23: Also ich habe tatsächlich mit einer Podcastaufnahme mit Ihnen, da habe ich noch ein paar Tage dran zu denken, manchmal dran zu knabbern, je nachdem wie es ausgegangen ist.
00:23:31: Aber da ich mir jetzt auch nach einer Woche Abstand die intellektivelle Flughöhe eines Doktoranden nicht zutraue und ich am Ende mich eigentlich die Angst getrieben hatte, Herr Korte, auch natürlich in meiner Rücksprache, in meiner Frau, dass ich am Ende keine Zeit mehr von unseren schönen Podcast hätte, habe ich gedacht, ohne den Anspruch einer Doktorbeit erheben zu wollen,
00:23:50: tue ich mich lieber auf politischem Spielfeld hier Woche für Woche mit Ihnen weiter aus, damit sie auch eine Beschäftigung haben.
00:23:55: Also ein Dilemma, was Sie öffentlich gemacht haben und versuchen einen Ausweg zu finden, das kann ich verstehen, aber Qualitätsjournalismus, Qualitätszeitung, da wäre natürlich eine Promotion, kein Nachteil.
00:24:08: Das stimmt. Dann müsste ich aber in die Autorenzahl immer noch den Doktor mit reinpressen.
00:24:12: Nee, bei Medienleuten steht das ja nie dabei.
00:24:15: Bei Politikern, Dr. Robert Haberke auch nicht, das stimmt.
00:24:18: Nee, das steht auch nicht dabei. Also das wäre dann wieder eine Schwunschstufe, das wäre auch schlecht.
00:24:23: Aber ich verstehe das Argument, in die Familie zeitlich zu investieren, ist allemal besser.
00:24:29: Es zahlt sich langfristig mehr aus.
00:24:31: Also deswegen, danke schön für das halb auchgesprochene Angebot.
00:24:34: Ich wäre, wie gesagt, eine Woche drüber nachgedacht, Herr Korte, aber ich bleibe Ihnen lieber in diesem Podcast erhalten.
00:24:40: Gut, das ist sehr schön, so dass wir das hier dann kommenden Wochen auch wieder fortsetzen können.
00:24:46: Da freue ich mich schon drauf, Herr Korte. Ich hoffe, Sie stehen vor einer spannenden Woche mit noch spannenden, arbeitsreichen, intensiven Tagen.
00:24:53: Und natürlich der Beobachtung des politischen Geschehens.
00:24:56: Ganz sicher.
00:24:57: Dann vielen Dank für das Gespräch heute. Ihnen eine schöne Woche, Herr Korte.
00:25:00: Und wir hören uns am nächsten Montag und sprechen uns selber Stelle, selbe Welle.
00:25:04: Und ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Bis dann. Tschüss.
00:25:07: Ja, ciao.
00:25:09: Korte und Ring ist ein Podcast der VRM von allgemeiner Zeitung Wiesbadener Kurier, Darmstädter Echo und Mittelhessen.de
00:25:19: Redaktion Dennis Ring, Produktion Mike Dornhöfer.
00:25:23: Habt Ihr Themenwünsche, Feedback, Anregung oder Kritik, dann schreibt uns über Social Media oder per Mail an audio@vrm.de
00:25:34: [Musik]
00:25:38: Untertitel im Auftrag des ZDF, 2012
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